FOCUS MONEY: Hypotheken – Zins lockt zum Bau

28. Oktober 2014

 

Für rund 280 Euro pro Monat verleihen Banken 100 000 Euro. Inklusive ein Prozent Tilgung. Die Folgekosten sollte keiner unterschätzen!

Alle jammern über die niedrigen Zinsen. Wirklich?
Nein, mancher clevere Sparer jubelt sogar. Denn für jene, die ihr Eigenkapital zusammenkratzen und mit Hilfe eines Kredits obendrauf ein eigenes Dach über dem Kopf erwerben, können die Zinsen nicht tief genug fallen. Zwar steigen die Kosten für Baugrundstücke, Handwerker und Ausstattungen stärker als die offizielle Inflationsrate, aber dank der billigen Baugelder bleibt die monatliche Belastung vielerorts im Rahmen.

Für 100 000 Euro Baukredit müssen Schuldner heutzutage im Idealfall 258,33 Euro pro Monat überweisen. Noch 2005 und 2011, als die Banken vier Prozent wollten, machte die Monatsbelastung 416,67 Euro aus. Und zur Jahrtausendwende, als der übliche Hypothekenzins bei sechs Prozent schwebte, waren sogar 583,33 Euro fällig.

Die niedrigen Zinsen passen ideal zu den Vorstellungen der Deutschen. Für die Hälfte ist laut einer Umfrage des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands DSGV für das „Vermögensbarometer 2013“ die selbst genutzte Immobilie die beliebteste Anlageform. Fünf Prozentpunkte mehr als im Vorjahr (Mehrfachnennungen waren möglich). 34 Prozent derjenigen, die angesichts niedriger Sparzinsen gezielt nach Anlage-alternativen suchen, finden Häuser und Wohnungen „besser geeignet“ als zuvor, ein herausragend hoher Wert, den keine andere Anlageform annähernd erreicht. Immerhin 24 Prozent denken schon über das selbst genutzte Eigenheim hinaus und favorisieren eine vermietete Immobilie. Für 26 Prozent liegt das Traumhaus eher noch in weiter Ferne – sie setzen auf einen Bausparvertrag (Siehe auch den FOCUS MONEY Beitrag „Bausparen – Günstige Konditionen für später sichern“).

Der Traum vieler ist derzeit zum Greifen näher, als sie glauben. Doch trotz der mäßigen Zinslast, die manchen sogar ohne Eigenkapital ans Bauen denken lässt, sollte das Finanzierungs-Einmaleins nicht ignoriert werden.
Wer weniger zahlt, tilgt länger. Wermutstropfen Nummer eins: Die Bonsai-Zinsen können nicht eine Ewigkeit Bestand haben. Eilen sie dem Schuldner davon, wird die Anschlussfinanzierung teuer. Und das Eigentum droht in die Hände der Bank zu fallen. Dagegen helfen neben der Erhöhung des Eigenkapitals zwei Dinge: eine lange Zinsbindungsfrist und eine hohe Tilgungsquote.

Die früher übliche einprozentige Anfangstilgung senkt zwar die Monatsbelastung, hat aber zwei gravierende Nachteile. Da der Tilgungsanteil in der monatlichen Kreditrate – auch Annuität genannt – lange Zeit minimal
bleibt, kann es bis zu 50 Jahre dauern, ehe sich das eigene Dach über dem Kopf schuldenfrei genießen lässt. Ebenso gefährlich: Nach Ablauf der ersten zehnjährigen Zinsfestschreibungsdauer steht ein 100.000 Euro- Schuldner immer noch mit knapp 90 000 Euro bei der Bank in der Kreide (s. Tabelle unten).

Ein Damoklesschwert. Denn eine Prolongation dieses Betrags im Jahr 2024 kostet bei einem Zinsanstieg auf vier Prozent 375 Euro im Monat. Macht 116 Euro mehr als heute. Eine Refinanzierung zu fünf Prozent belastet die Haushaltskasse allmonatlich sogar mit 450 Euro.

Erster Ausweg: Die Zinsfestschreibung wird auf 20 Jahre verlängert. Dann schmilzt im Idealfall der 2034 zu refinanzierende Schuldenstand auf knapp 73 000 Euro ab. Die monatliche Belastung steigt allerdings von 258,33 auf 325,83 Euro. Bei 30 Jahren Zinsbindung und 332,50 Euro Annuität sind 2044 von dem ursprünglichen 100 000- Euro-Kredit nur noch 51 522 Euro zu refinanzieren.

Bei 20 Jahren Zinsbindung und zwei Prozent Anfangstilgung beträgt die Restschuld 2034 sogar nur knapp 46 000 Euro. Erkenntnis: Der zweiter Schutzwall gegen Probleme bei der Anschlussfi nanzierung, eine Verdopplung der Anfangstilgung, wirkt effektiver. Die Monatsbelastung steigt dann zwar für ein zehnjähriges 100 000- Euro-Darlehen von 258,33 Euro bei ein Prozent Tilgung auf 341,67 Euro. Doch die Mehrbelastung lohnt: Die Restschuld sinkt nach zehn Jahren bereits auf 77 766 Euro. Bei drei Prozent Anfangstilgung und 425 Euro Annuität lässt sich die Schuld nach zehn Jahren sogar auf 66 650 Euro drücken. Eine Last, die bei verschlechterten Zinskonditionen eher zu stemmen sein dürfte.

Im Süden halten sich mehr an die Finanzierungsregeln. Wie die Realität zeigt, orientieren sich Baufinanzierer in die richtige Richtung. So schlecht kann die Beratung der Banker und Baugeldvermittler also nicht sein. Aus dem aktuellen Dr.-Klein-Trendindikator „Baufinanzierung“ geht hervor, dass die durchschnittliche Darlehenshöhe im Februar 162 000 Euro betrug. Mit einem durchschnittlichen Eigenkapitalanteil von 22,13 Prozent bringen Erwerber mehr als die von Finanzierungsexperten empfohlenen 20 Prozent in ihre Baufi nanzierung ein. Wermutstropfen: „Wir beobachten eine beachtliche Schere innerhalb Deutschlands. Während der Süden mit überdurchschnitt-lich viel Eigenkapital finanziert, liegen zehn Bundesländer unter dem gesamtdeutschen Durchschnitt und damit weit entfernt von einer soliden Finanzierungsgrundlage“, sagt Stephan Scharfenorth, Geschäftsführer von Baufi 24.de (s. Grafik unten).

Insbesondere die Bayern und die Baden- Württemberger kommen mit rund 30 Prozent auf Eigenkapitalquoten, die sogar deutlich die Benchmark übertreffen. Der durchschnittliche Tilgungssatz liegt bei 2,37 Prozent und „damit weiterhin auf einem relativ hohen Niveau“, lobt Stephan Gawarecki, Vorstandssprecher des Baugeldvermittlers Dr. Klein & Co. AG. Im Vorjahresmonat betrug die durchschnittliche Tilgungsrate erst 2,25 Prozent. Die durchschnittliche Sollzinsbindung stieg im Februar von elf Jahren und zwei Monaten auf elf Jahre und fünf Monate weiter an.

Dass Erwerber auf Sicherheit setzen, zeigt sich auch am Anstieg des Anteils der Annuitätendarlehen mit festem Zinssatz. Er nahm von 69,24 Prozent auf 70,57 Prozent zu. Im Vorjahreszeitraum lag er bei 68,22 Prozent. Der Anteil von Annuitätendarlehen mit variabler Zinsbindung beträgt nur 2,67 Prozent. Wer variabel finanziert, zahlt weniger Zinsen. Diese kleine Minderheit riskiert viel, kann aber eine lange anhaltende Niedrigzinsphase besonders vorteilhaft auskosten. Denn sie zahlt nur einen Aufschlag von rund einem Prozentpunkt auf den Leitzins der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Sparda-Bank beispielsweise kann daher ihr Euribor-Baudarlehen mit 1,29 Prozent Effektivzins bewerben. Ergibt für 100 000 Euro eine Monatsbelastung von 107,50 Euro.

Mindestens die Differenz zu Darlehen mit zehnjähriger Zinsbindung – also rund 150 Euro pro Monat – sollten die Zinsspekulanten zur rascheren Tilgung nutzen. Besser noch, sie setzen auch alle Sondererträge wie etwa Zins- und Dividendengutschriften, Weihnachtsgeld und Bonuszahlungen oder Erstattungen von Versicherungen für Sondertilgungen ein. Die sind bei einem 3-Monats- Euribor-Darlehen ohne Zinsstrafe alle drei Monate möglich. Andernfalls verschaffen variable Kreditkonditionen dem Schuldner schnell schlafl ose Nächte, wenn die Zinsen steigen. Wer dann nicht rechtzeitig in ein Festdarlehen wechselt, läuft Gefahr, bei einer Zinsexplosion nicht mehr zahlen zu können.
Profi-Finanzierer mit starken Nerven spekulieren freilich eher mit dem Gegenteil. Sie gehen davon aus, dass die europaweit auf 0,5 Prozent gesunkene Inflationsrate die EZB unter Handlungsdruck setzt. Im Kampf gegen die deflationären Tendenzen insbesondere in der europäischen Peripherie fordert der Markt bereits unkonventionelle Maßnahmen – dazu gehören negative Zinsen. Ein Traumszenario für variable Kredite.

Zu den Varianten des variablen Euribor-Darlehens zählt der Wertpapierkredit. Den vergeben Banken zwar eher zur kurzfristigen Finanzierung eines Wertpapierkaufs, aber bei der Nord/LB Luxembourg beispielsweise steht er auch zur Baufi nanzierung zur Verfügung. Die Luxemburger Banker wenden sich an jenen Finanzierer, der Liquiditätsbedarf – etwa für einen Hauskauf – hat, aber seine Wertpapiere nicht veräußern oder seine Lebensversicherung nicht fällig stellen will. Er kann seine Wertpapiere oder Lebensversicherung verpfänden und erhält einen Kreditrahmen bei der Nord/LB Luxembourg. Dafür kann der Kreditnehmer auch Wertpapiere verpfänden, die nicht direkt bei der Nord/LB in Luxemburg, sondern bei Drittbanken verwahrt werden.

Aktien der Standardindizes beleiht die Bank mit 60 Prozent des aktuellen Marktwerts, klassische Zinspapiere je nach Bonität des Emittenten zwischen 40 und 70 Prozent. Edelmetalle erkennt die Nord/LB bei Depotverwahrung zu 50 Prozent als Sicherheit an. Effektives Metall akzeptiert sie dagegen nicht als Sicherheit. Kursverluste während der Kreditlaufzeit und eine daraus folgende Unter deckung lösen Nachschuss-pflichten des Kunden aus. Oder die Nord/LB verkauft die verpfändeten Wertpapiere. Der Kreditzins des Kunden orientiert sich am aktuellen Zinsumfeld im Interbankenhandel, also dem Handel zwischen Kreditinstituten. Dazu verlangt die Bank eine Mindestmarge von einem Prozentpunkt. Aktuell stellt die Nord/LB für einen Monat Zinsbindung 1,26 Prozent, für drei Monate 1,40 Prozent, für sechs Monate 1,43 Prozent und für zwölf Monate 1,62 Prozent p. a. in Rechnung.

Nach Ablauf der Zinsbindung verlängert sie den Kredit auf Basis der dann gültigen Marktkonditionen. Solange die im Keller dümpeln, bleibt der variable Kredit ein gutes Geschäft für den Schuldner. Allerdings nur, wenn er die Zinsentwicklung stets im Auge behält und die Zinsersparnis konsequent zur raschen Tilgung nutzt. Wer wenig recherchiert, zahlt mehr. Für einen Blick auf den aktuellen Stand der Zinsen eignet sich besonders das Internet. Es verschafft schnell einen Überblick über die gerade marktgerechten Zinsbedingungen. So kann jedermann verhindern, auf zu teure Konditionen hereinzufallen.

„Vergleichsportale wie Fmh.de oder Biallo.de tragen zu größerer Transparenz und damit größerem Wettbewerb bei und machen gerade den kleineren, regionalen Banken und Sparkassen auf diese Weise das Leben schwerer“, sagt Horst Biallo von Biallo.de.  Ein kostenloser Online- Konditionenvergleich ermöglicht Kreditinteressenten zudem eine erste Kalkulation ihres Finanzierungsspielraums.

Vorsicht ist angesagt bei Lockangeboten und Schaufensterzinsen, die Banken nur unter bestmöglichen Bedingungen vergeben. Entscheidend für eine Machbarkeitskalkulation ist immer die persönliche Beratung des
Bankers oder Baugeldvermittlers. Biallo macht Hoffnung:  „Wer über eine ausgezeichnete Bonität, ein tolles Objekt an einem attraktiven Standort und genügend Eigenkapital verfügt, erzielt in der Praxis Zinssätze, die unter denen liegen, die bei Fmh.de oder bei uns gezeigt werden.“ Die Recherche im Internet lohnt auch für jene, die eine Anschlussfinanzierung brauchen.

Die Gefahr ist groß, dass sie ohne Konditionenvergleich die 3,5 Prozent ihrer Hausbank akzeptieren, weil sie die gegenüber den zuvor bezahlten 4,5 Prozent als günstig empfinden. Dann entgeht ihnen aber ein Konkurrenzangebot zu 2,5 Prozent. Weiterer Grund, sich nicht nur Zeit für die Suche nach günstigen Badezimmerfliesen, sondern auch nach Zinskonditionen zu nehmen: „Viele Banken, Bausparkassen und Versicherungen, die Immobilienfinanzierungen im Portfolio haben, stellen momentan vor allem für Eigennutzer zahlreiche Frühjahrsaktionen bereit“, berichtet Michael Neumann, Geschäftsführer der Qualitypool GmbH. „Dazu zählen beispielsweise Zinsabschläge bei einer Zinsbindung von zwölf bis 15 Jahren oder ein Sollzinsabschlag für jedes Kind von Selbstnutzern.“

Mithin haben angehende Eltern, die ihren Lebensmittelpunkt bereits gefunden haben und wissen, wo sie mit dem Nachwuchs langfristig leben wollen, doppelten Grund zum Jubeln: wenn sie zur Finanzierung der eigenen vier Wände einen günstigen Kredit aufnehmen.

Michael Groos

 

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