FOCUS MONEY: Kindergeld – Mehr Geld für Eltern

3. April 2014

Sind Sie auch auf die familienpolitischen Wahlversprechen der Union hereingefallen? Laut Plänen der CDU sollte das Kindergeld nach der Bundestagswahl um 36 Euro je Sprössling steigen – und das Ehegattensplitting in ein Familiensplitting umgestaltet werden.
Zudem sollte der Freibetrag für Kinder schrittweise auf die Höhe des Erwachsenenfreibetrags angehoben werden.

Leere Versprechen. Haben Sie nach der Wahl davon noch mal etwas gehört? Nein, nicht wirklich. Das Einzige, was bisher vermeldet wurde, ist die Tatsache, dass die Kindergelderhöhung erst mal auf das Jahr 2016 verschoben wird.
Eltern müssen also noch länger auf den versprochenen Geldsegen warten. Die neue Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig hat sogar angekündigt, auf eine Erhöhung des Kindergelds ganz zu verzichten. Lediglich der Kinderzuschlag für Geringverdiener soll möglicherweise steigen. Der Kinderzuschlag kommt aber nur Familien zugute, die mit ihrem eigenen Einkommen nicht über die Bezüge kommen, die ihnen aus dem Arbeitslosengeld II zur Verfügung stehen. Die Mehrheit der Eltern geht also leer aus.

Auch wenn sich die Bürger immer wieder von vollmundigen Wahlkampfversprechen der Politiker blenden lassen, auf die Gerichte ist wenigstens Verlass. In vielen Streitfragen haben sich die deutschen Finanzrichter auf die Seite der Eltern geschlagen. FOCUS-MONEY stellt die jüngsten Entscheidungen zum Kindergeld vor, von denen Mütter und Väter profitieren.

Grundsätzlich gilt: Eltern erhalten Kindergeld für alle Sprösslinge bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs. „Kindergeld kann aber auch über den 18. Geburtstag hinaus bis zum vollendeten 25. Lebensjahr bezahlt werden“, sagt Gudrun Steinbach, Vorstand der Lohnsteuerhilfe Bayern e. V. „Vorausgesetzt, der erwachsene Nachwuchs befindet sich noch in Ausbildung“, so die Expertin. Häufi g gibt es allerdings Streit, wann eine förderberechtigte Erstausbildung vorliegt.

Heirat kein Hindernis. Auch wenn die Hochzeitsglocken für den Nachwuchs läuten, ist das für Eltern kein Hindernis, weiter Kindergeld zu beziehen, entschied jetzt der Bundesfinanzhof (BFH, Az. III R 22/13). Dies gilt sogar dann, wenn der frisch angetraute Partner gut situiert ist. Damit änderte der BFH seine langjährige Rechtsprechung.

Bislang wurde das Kindergeld nur gewährt, wenn der Ehegatte unter 8354 Euro im Jahr verdiente und dieser den Unterhalt für seinen Partner nicht aufbringen konnte. Damit hebelt der BFH die Dienstanweisung der Familienkassen aus. Erfreuliche Folge: Eltern können auch rückwirkend seit Januar 2012 das Kindergeld beanspruchen, sofern ihr in Ausbildung befindliches Kind während dieser Zeit einen gut verdienenden Partner geheiratet hat.

Wichtiger Etappensieg. Das Finanzgericht Münster (Az. 2 K 2949/12 Kg) sorgt für weiteren Geldsegen der Eltern und stellt klar: Auch ein duales Studium – ein Studium, das Studium, Ausbildung und Praxis kombiniert – rechtfertigt bis zum Ende den Anspruch auf Kindergeld. Dies gilt sogar unabhängig davon, wie viele Stunden der Nachwuchs nebenbei arbeitet. Nach Ansicht der Richter hat der Student seine Berufsausbildung erst abgeschlossen, wenn er Ausbildungs- und Bachelor-Abschluss in der Tasche hat. Die Entscheidung ist ein Etappensieg. Die Familienkasse hat Beschwerde eingelegt. Das letzte Wort hat der Bundesfinanzhof (Az. III R 52/13; Az. III B 63/13).
 

Tipp: Lehnt die Familienkasse für ein Kind im dualen Studium die Kindergeldzahlung ab, sollten betroffene Eltern Einspruch mit dem Hinweis auf die anhängigen Verfahren einlegen. Sie können dann von einem positiven Ausgang der Entscheidungen profitieren.

 

Freiwillige Dienste. In vielen Fällen können Eltern auch dann für ihren volljährigen Sprössling Kindergeld oder Kinderfreibeträge in Anspruch nehmen, wenn dieser sich zum freiwilligen Wehrdienst verpflichtet hat. So hat das niedersächsische Finanzgericht (Az. 15 K 60/12) die Ausbildung eines Reserveoffizier-Anwärters – also eines Soldaten auf Zeit – ausdrücklich bejaht und der Bundesfinanzhof (Az. VI R 72/11) die Ausbildung eines freiwillig Dienstleistenden zum Berufskraftfahrer.

Begründung: Der Ausbildungscharakter stehe im Vordergrund und sei Voraussetzung für die spätere dienstliche Verwendung. „Damit sind das Bestehen einer Ausbildung und die Zahlung von Kindergeld stets eine Frage des Einzelfalls“, erklärt Uwe Rauhöft, Geschäftsführer des Neuen Verbands der Lohnsteuerhilfevereine e. V. in Berlin.

Gute Nachrichten gibt es auch für Eltern von Azubis: Ein Kind, das sich um einen Ausbildungsplatz bewirbt, ist auch dann steuerlich zu berücksichtigen, wenn es diese Be- mühungen aus einer Vollzeit- oder Teilzeitbeschäftigung heraus unternimmt. Der BFH entschied (Az. III R 9/12): Der Sprössling wird „als Kind in Wartezeit“ betrachtet. Da seit 2012 die Höhe der Einkünfte aus der Vollzeitbeschäftigung keine Rolle mehr spielt, besteht für Eltern somit auch ein Anspruch auf Kindergeld.

 

Staatliche Zubrote

Besserverdiener im Vorteil
Für jedes Kind erhalten Eltern Kindergeld. Dies gilt auch für Volljährige in Ausbildung bis zum 25. Lebensjahr. Die Kinderfreibeträge (Kinderfreibetrag und BEA-Freibetrag) wirken sich auf die Einkommensteuer nur insoweit aus, als die Steuerersparnis größer ist als der Anspruch auf Kindergeld. Was günstiger ist, prüft das Finanzamt automatisch.

 

 

Ab wann sind Freibeträge günstiger?

Kindergeld oder Kinderfreibeträge? Je höher das Einkommen der Steuerpflichtigen, desto eher profitieren Eltern von den Kinderfreibeträgen (Kinderfreibetrag plus BEAFreibetrag):

Besserverdiener im Vorteil

Für jedes Kind erhalten Eltern Kindergeld. Dies gilt auch für Volljährige in Ausbildung bis zum 25. Lebensjahr. Die Kinderfreibeträge (Kinderfreibetrag und BEA-Freibetrag) wirken sich auf die Einkommensteuer nur insoweit aus, als die Steuerersparnis größer ist als der Anspruch auf Kindergeld. Was günstiger ist, prüft das Finanzamt automatisch.

Im Beispiel hat ein Ehepaar eine 13-jährige Tochter. Für den Nachwuchs erhält das Paar für das gesamte Jahr 2013 Kindergeld in Höhe von insgesamt 2208 Euro (12 x 184 Euro). Das zu versteuernde Einkommen der Eheleute beträgt 80 000 Euro. Das Finanzamt prüft, ob die Kinderfreibeträge steuerlich günstiger sind. Da dies der Fall ist, erstattet der Fiskus 266 Euro.

 

Mit Kindergeld Extras sichern

Wer Kindergeld erhält, kann auch von weiteren staatlichen Leistungen profitieren. Die Zuschüsse gibt es, solange das Kindergeld gezahlt wird Immer wieder landen Streitfragen vor Gericht. Mit dem Einspruch können Eltern sich an Musterverfahren beteiligen und gratis mitgewinnen.

Kindergeld. Mit Kindergeld und Kinderfreibeträgen (s. Tabelle oben) sponsert der Fiskus Eltern – egal, ob Verheiratete, nicht eheliche Paare oder Alleinerziehende. Für jedes Kind erhalten Eltern Kindergeld, auch für Volljährige in Ausbildung bis zum 25. Lebensjahr. Über das 25. Lebensjahr hinaus wird das Kindergeld weitergezahlt, wenn das Kind behindert oder außer Stande ist, selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Die Kinderfreibeträge (Kinderfreibetrag und BEA-Freibetrag) wirken sich auf die Einkommensteuer nur insoweit
aus, als die Steuerersparnis größer ist als der Anspruch auf Kindergeld. Was günstiger ist, prüft das Amt automatisch (s. Tabelle oben). Einkünfte der Kinder. Seit 2012 erhalten Eltern für Kinder, die sich in einer ersten Berufsausbildung oder einem Erststudium befinden, unabhängig von der bis dahin geltenden Jahreseinkommensgrenze von 8004 Euro das Kindergeld. Die Höhe der Einkünfte der Kinder spielt somit keine Rolle mehr. Ausnahme: Geht der Jugendliche neben der Ausbildung einer Tätigkeit von mehr als 20 Wochen-stunden nach, entfällt das Kindergeld. Weil es auf die wöchentliche Arbeitszeit ankommt, sind Tätigkeiten wie etwa Mini- oder Ferienjobs unschädlich.
 

Riester-Förderung. Für Familien kann sich Riester-Sparen besonders lohnen. Zur Grundzulage von 154 Euro erhalten Eltern pro kindergeldberechtigten Sprössling eine Zusatzförderung von 185 Euro, für ab 1.1.2008 geborene Kinder sogar 300 Euro. Wer sich die volle Förderung sichern will, muss vier Prozent des Vorjahreseinkommens sparen, höchstens 2100 Euro (Zulagen zählen mit). Beitragsfreie Verträge für mittelbar Zulagenberechtigte (Ehegattenverträge), auf die lediglich die staatlichen Riester-Zulagen fließen, sind seit 2012 allerdings nicht mehr möglich. Für alle Vorsorgeverträge muss jetzt ein Sockelbetrag von mindestens 60 Euro aus eigener Tasche bezahlt werden.
 

Auslandsaufenthalt. Eltern können Kindergeld grundsätzlich nur für Kinder beanspruchen, die im Inland oder in Staaten wohnen, die der EU oder dem EWR angehören. Lebt ein Kind im übrigen Ausland, besteht nur ausnahmsweise ein Anspruch auf Kindergeld. Bei einem Auslandsstudium etwa hängt die Kindergeldberechtigung davon ab, ob das Kind seinen Wohnsitz im Inland oder in einem anderen EUoder EWR-Staat beibehält. Laut BFH genügt ein Aufenthalt von jährlich fünf Monaten bei den Eltern (Az. VI R 107/99).

Tipp: Durch einen Sprachunterricht, der mindestens zehn Stunden pro Woche dauert, retten Eltern, deren Nachwuchs sich im Ausland als Au-pair aufhält, auch den Anspruch auf Kindergeld.

Gleiche Rechte. Die Höhe des Kindergelds bemisst sich nach der Zahl der Kinder. Eltern können den Patchwork-Familien-Effekt nutzen. Hat ein Partner drei Kinder, der andere ein Kind mit in die Ehe gebracht, kann der Kindergeldanspruch des einen auf den anderen übertragen werden. Damit erhält das Paar für das „vierte“ Kind 215 statt 184 Euro Kindergeld monatlich. Der BFH hat dieses Sparmodell auch für eingetragene Lebenspartner mit Kindern abgesegnet (Az. VI R 76/12).

 

Anhängige Verfahren

Mit Kindergeld Extras sichern

Immer wieder landen Streitfragen vor Gericht. Mit dem Einspruch können Eltern sich an Musterverfahren beteiligen und gratis mitgewinnen

Einspruch? Wer von bestimmten Steuerfragen betroffen ist, kann gegen ablehnende Bescheide der Verwaltung mit dem Einspruch vorgehen. Das Verfahren kostet nichts. So geht’s: Eltern müssen Einspruch binnen Monatsfrist einlegen und auf das entsprechende Aktenzeichen des Musterverfahrens verweisen. Der positive Ausgang der Entscheidung kommt den Erziehungsberechtigten dann zugute.
 

Eine Auswahl anhängiger Prozesse:
Arbeitslose Kinder. Der Bundesfinanzhof (BFH) prüft die Frage (Az. III R 19/12; III R 37/12), ob der Anspruch auf Kindergeld entfällt, wenn sich ein Kind nicht alle drei Monate arbeitslos meldet oder gegen Auflagen verstößt.

EU-Mitglied. Der BFH muss klären (Az. III R 8/13): Steht dem in Deutschland lebenden Elternteil das Kindergeld zu, obwohl das Kind in einem anderen EU-Mitgliedsstaat bei dem anderen Elternteil lebt?

Freiwilliger Wehrdienst. Muss die Familienkasse den Eltern das Kindergeld auch für die Zeiten bewilligen, in denen der Sprössling seinen freiwilligen Wehrdienst ableistet? Die Frage liegt dem BFH zur Prüfung vor (Az. III R 50/13).

Erststudium Tochter. Die obersten deutschen Finanzrichter müssen klären, erstens die Frage (Az. V R 42/13): Muss der Vater des Enkelkinds der studierenden Tochter Unterhalt zahlen? Und zweitens: Sind die Eltern ihrer Tochter gegenüber während des Erststudiums weiter unterhaltspflichtig und haben Anspruch auf Kindergeld?

Unterhalt Vater. Strittig ist die Frage (BFH, Az. V R 35/13), ob ein Elternteil (hier der Vater) auch dann Anspruch auf Kindergeld hat, wenn die Tochter einen Unterhaltsanspruch gegen den Vater ihres Kindes hat.

Ledige Tochter. Der BFH muss prüfen (Az. VI R 60/13), ob die Eltern einen Kindergeldanspruch für die volljährige Tochter beantragen können, die selbst ein Kind hat, aber unverheiratet ist. Des Weiteren muss das Gericht klären, ob eine gegenseitige Unterhaltsverpflichtung vorliegt, wenn die nicht getrauten Eltern des Nachwuchses die gemein-schaftliche Kinderbetreuung übernommen haben.

Betreuungskosten. Beim Bundesverfassungsgericht ist derzeit eine Verfassungsbeschwerde anhängig (Az. 2 BvR 2454/12), mit der geklärt werden soll, ob der beschränkte Abzug der Kinderbetreuungskosten – maximal zwei Drittel der Kosten, höchstens aber 4000 Euro im Jahr für Kindergarten, Tagesmutter, Nanny und ähnliche Betreuungsleistungen – verfassungsgemäß ist.

Der BFH hat den begrenzten Abzug der Aufwendungen für zulässig erklärt (Az. III R 80/09). Schulgeld England. Auf dem Prüfstand der Richter stehen die Fragen (BFH, Az. X R 17/13): Muss das Finanzamt die Aufwendungen für das Schulgeld anerkennen, das die Eltern für den Besuch ihres Sohnes an einer englischen Privatschule ausgegeben haben? Muss der Nachweis der Kosten abstrakt oder konkret durch eine entsprechende Bescheinigung geführt werden?

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