FOCUS MONEY: Renditeoptimierung – Zinsen lösen sich in Luft auf

26. September 2014

Traditionelle Sparformen werfen keine positive Realrendite ab. Ohne neue Anlagestrategien geht der Traum vom finanziell sorgenfreien Ruhestand nicht auf.

Durch die Nullzinspolitik wird das Geld der Sparer entwertet, und sie erleiden reale Vermögensverluste“, warnt Professor Jürgen Stark, von 2006 bis 2011 Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank (EZB). Den früheren Chefvolkswirt der EZB erzürnt ein bisher unbekanntes Phänomen: Um Staaten und Kreditinstitute zu retten, haben die Währungshüter die Zinsen quasi abgeschafft. Anleger, die, wie früher gewohnt, ihr Depot mit bestens benoteten Bundesanleihen bestücken, verdienen heutzutage im Schnitt weniger als ein Prozent Rendite.

 

Vor Steuern und Geldentwertung. Die fatalen Folgen: Bei 1000 Euro Ertrag pro Jahr bleiben nach Abzug von Abgeltungsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer 720,06 Euro übrig. Bei Geldentwertungsraten um ein Prozent büßen die anfangs investierten 100 000 Euro binnen Jahresfrist 1000 Euro an Kaufkraft ein. Unter dem Strich verliert der Anlegermithin fast 280 Euro an Kaufkraft. Der reale Vermögensverlust wird explodieren, wenn die Geldentwertungsrate eines Tages auf die von der EZB gewünschte Rate von zwei Prozent ansteigt. Anleiheneigner aber kassieren mit ihren Langläufern immer noch nur ein Prozent Zinsen pro Jahr.
Dramatisch wirkt sich die Ertragslosigkeit vieler Anlageformen erst auf lange Sicht aus. Denn es fehlt die heilsame Wirkung des Zinseszinseffekts. Der hatte früher die jährlichen Erträge und das Vermögen verlässlich anschwellen lassen. Daher war es zu der Zeit auch einfacher, die Altersvorsorge auf Vordermann zu bringen. 1995 warfen mit Zinsen gekoppelte Anlageformen im Schnitt 6,2 Prozent Rendite ab. Auf diesem Niveau lag damals die Umlaufrendite.

Dank solcher Zinssätze verdoppelten sich die Ersparnisse bereits nach zwölf Jahren. Heute liegt die Umlaufrendite bei 0,98 Prozent. Daher dauert es 72 Jahre, ehe sich der Einsatz verdoppelt. So viel Zeit hat niemand. Fazit: Anleger müssen sich umstellen, um in der Nullzins-Welt klar zu kommen. Wie, verraten FOCUS-MONEY und Cortal Consors. Das Motto der zehnteiligen Serie heißt „Rendite statt Nullzinsen“. Zu jedem Teil zeigt ein gesonderter Beitrag unter der Rubrik „Modernes Banking – das habe ich davon“, wie technische Neuerungen und verbesserte Kommunikation Kunden helfen, in einer Welt (fast) ohne Zins zu bestehen.

 

Altersarmut droht
Musterrechnungen für jedes Lebensalter und jede Lebenskonstellation zeigen: Ohne fünf, sechs, sieben Prozent Rendite sind für die Altersvorsorge so hohe Sparraten erforderlich, dass die sich kaum jemand leisten kann. Die Rechnungen illustrieren einem heute 25-jährigen Arbeitnehmer, der in seinem Rentenalter monatlich über einen Betrag verfügen möchte, dem heute 1800 Euro Kaufkraft entsprechen, was ihm blüht.

Bei unterstellt 1,5 Prozent Teuerungsrate bis zum Ruhestand entsprechen die 1800 Euro Kaufkraft im Jahr 2056 dann 3314,21 Euro. Zahlt die gesetzliche Rentenversicherung 1422,43 Euro, fehlen 1891,78 Euro pro Monat.
Um die Lücke für beispielsweise 23 Ruhestandsjahre bis 2078 zu schließen, ist zum Rentenbeginn ein Vermögen von 948 443,59 Euro erforderlich. Um das bei den auf rund 1,5 Prozent eingedampften Zinsen über 41 Jahre anzusparen, muss bereits heute ein Startkapital in Höhe von 376 873,99 Euro zur Verfügung stehen. Weil kaum ein 25-Jähriger über so viel Geld verfügt, müssten die meisten bei weiterhin nur 1,5 Prozent Rendite monatlich 708,46 Euro anlegen – und diese Sparrate alle zwei Jahre um drei Prozent erhöhen. Aber auch solche Belastungen dürften für die meisten nicht zu stemmen sein.
Der 1800-Euro-Kaufkraft-Wunsch geht nur in Erfüllung, wenn der 25-Jährige sechs Prozent Rendite erzielt. Dann braucht er nur 807 595,73 Euro zum Rentenbeginn. Die erzielt er, wenn er jetzt 83 480,40 Euro anlegt. Hat er noch nicht so viel angespart, muss er monatlich 287,32 Euro mit sechs Prozent verzinst auf die Seite legen. Und diesen Betrag alle zwei Jahre um drei Prozent aufstocken. Hört sich für einen jungen Arbeitnehmer schon eher realistisch an.

 

Langfristig anlegen
Zwei Dinge machen die Rechnung klar: Vermögensaufbau gelingt nur, wenn rechtzeitig mit dem Sparen begonnen wird und die Rendite hoch ist. Bei der Anlage des Hab und Guts sollte jeder, der nicht auf kurze Sicht eine klar definierte Anschaffung oder Ausgabe vor Augen hat, eine Laufzeitentreppe bilden. Für überraschende Reparaturen oder Anschaffungen gehören rund drei Nettomonatsgehälter als Notgroschen auf ein Tagesgeldkonto. Weitere Beträge sollten beispielsweise für zwei, drei und fünf Jahre angelegt werden. Darüber hinaus gehendes Kapital dient dem langfristigen Aufbau der Altersvorsorge – etwa mit Aktien oder mit einem eigenen Dach über dem Kopf.

 

Gefahren bei der Immobilienfinanzierung
Immobilienkäufer, die jetzt einen Kredit zur Finanzierung aufnehmen, können das künstlich abgesenkte Zinsniveau voll auskosten. Denn als Folge erreichten auch die Baugeldzinsen ungeahnte Tiefen. Somit wird vielen der Erwerb eines Eigenheims erleichtert. Eine Anlageform, die sich bei rechtzeitiger Tilgung der Schulden als idealer Altersvorsorge-Baustein erweisen kann.
Das Dilemma: Der Tiefzins verlängert die Laufzeit des Darlehens. Auch bei der Kreditaufnahme treibt der Niedrigzins sein Unwesen. Wer sich blenden lässt und zu viel Kredit für sein Eigenheim schultert und zu wenig tilgt, dem droht die Zwangsversteigerung.

Die Lösung: die niedrige Zinsbelastungen für mindestens zwei Prozent oder mehr anfängliche Tilgung nutzen. So lässt sich die Laufzeit bis zur Schuldenfreiheit verkürzen. Altersvorsorge nur mit Aktien möglich Nicht jeder kann sich aus privaten oder beruflichen Gründen an eine Immobilie binden. Zu den Sachwerten gehören auch Aktien. Sie beteiligen nicht an einem jährlichen Minizins, sondern am Gewinn eines Unternehmens.

Ihr Nachteil: Aktien schwanken börsentäglich, Rückschläge in Höhe von zehn Prozent und mehr sind nicht ausgeschlossen. Fallen sie zu hoch aus, hat der Investor kaum noch Chancen, innerhalb eines überschaubaren Zeitraums einen Mehrwert zu erzielen. Beispiel: Stürzt der gewählte Titel schon bald nach dem Einstieg um 50 Prozent ab, muss er anschließend um 100 Prozent steigen, damit der Aktionär seinen Einstand wiedersieht.
Verluste erweisen sich auch aus psychologischen Gründen als kontraproduktiv. Wer bisher nur den Umgang mit schwankungsarmen Anleihen oder Spareinlagen kennt, ist größere Kursausschläge nicht gewohnt. Ein heftiges Minus veranlasst manchen, schnell in Panik zu verkaufen. Ein Buchverlust mutiert dann zu einem realen Verlust, die anschließende Kurserholung wird verpasst. Um schlaflose Nächte auszuschließen, ist die Verteilung der Ersparnisse auf verschiedene Aktien oberstes Gebot.

Zudem gilt es, nicht nur in eine Branche und ein Land zu investieren. Die Diversifikation des Depots ist ein Muss. Zur Streuung der Chancen und Risiken gehört auch eine Verteilung der Gelder auf verschiedene Währungen und Länder. Wer sich das in Eigenregie nicht zutraut, setzt auf Aktienfonds, die schon für relativ kleine Summen eine Streuung über viele Aktien bieten. Sie eignen sich daher auch ideal für langfristige Sparpläne.

 

Chancen und Risiken ausloten
Vor Anlageentscheidungen rät Cortal Consors, sich grundsätzlich an folgende Grundregeln zu halten:
1. Prioritäten beachten: Zuerst Risiken absichern, zum Beispiel durch Privathaftpflicht-, Riskolebens- und Berufsunfähigkeitsversicherungen; dann, soweit vorhanden,
Schulden tilgen; danach Reserven aufbauen, und dann erst Geld für die Altersvorsorge zurücklegen.

2. Schulden tilgen kommt immer vor dem Sparen.

3. Jeder Anleger muss sich neu überlegen, welches Risiko er einzugehen bereit ist, um höhere Renditen zu erzielen. Und dabei muss er heutzutage bedenken, dass zum Risiko auch gehört, nach Steuern und Inflation eine Negativrendite zu erzielen.

4. Die Ersparnisse müssen sowohl hinsichtlich ihrer Laufzeiten als auch ihrer Risiken gestreut werden.

5. Die bisher favorisierten Festgelder und Anleihen sind nur nominelle Zahlungsversprechen, die Wirkung der Geldentwertung sollte kein Anleger übersehen.

6. Auch Transaktionskosten und Steuern sind bei der Produktauswahl zu berücksichtigen.

7. Eine einmal getroffene Anlagestrategie sollte über einen längeren Zeitraum durchgehalten werden. Hektische Rein-raus-Entscheidungen verursachen nur Kosten.

 

MICHAEL GROOS

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